Zwei Wochen
2. April 2003
Mittlerweile sind zwei Wochen des Krieges vorrüber. Ich habe mich bisher hier noch zurückgehalten, weil mich vieles selber sprachlos gemacht hat. Dass der Krieg beginnen würde, dürfte ja spätestens seit Dabelju's Ultimatum aus meinem letzten Eintrag allen klar gewesen sein. Aber wie er jetzt läuft, war nicht so ganz vorrauszusehen.
Offensichtlich läuft es ja nicht ganz so gut für die "Koalition" wie sich immer mehr herausstellt. Auch die hohe Zahl der durch "friendly fire" getöteten Briten macht mich ein wenig stutzig. Warum werden so überproportional mehr Briten davon getötet? Und ein ganz entscheidender Punkt drängt sich mir auch auf: haben die USA denn mittlerweile die Massenvernichtungswaffen gefunden, die ihre Hauptargumente waren, um diesen Krieg zu beginnen? Ich habe davon nichts gehört. Nirgendwo. Darüber schweigt sich auch Donald Rumsfeld aus. Es wurden herkömmliche Waffen gefunden. OK. Der Irak hatte aber wie jeder souveräne Staat das Recht, eine Armee zu haben, eine Armee braucht Waffen, ganz besonders dann, wenn sie derartig bedroht wurden wie das die USA getan haben.
In der Vorankündigung der Monitor-Sendung der ARD heute Abend werden die Motive Dabelju's "die eines religiösen Fundamentalisten" genannt. Und ehrlich gesagt: das sehe ich recht ähnlich. Dabelju betrachtet es als seine von Gott gewollte Mission, "da unten mal für Ordnung zu sorgen" um's mal in etwas saloppen Worten auszudrücken.
Ich will damit gewiss nicht Saddam Hussein verteidigen, er ist ein machtbesessener Diktator, den ich lieber gestern als heute aus seinem Amt bekommen würde. Aber die in meinen Augen fadenscheinigen Argumente der US-Regierung, die zu diesem Krieg führten, entbehren meiner Meinung nach jeglicher Realitätsnähe. Dass die USA nicht einfach ihren 2-Wochen-Krieg bekommen werden, dürfte ja mittlerweile allseits klar sein. Vieles von dem, was die USA sich vorgestellt haben, ist so nicht aufgegangen. Warum sollte man auch eine Militärmacht, die einen bombardiert, nach der Kapitulation mit offenen Armen empfangen? Das war in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg anfangs auch kaum anders mit den Allierten. So etwas entwickelt sich erst mit der Zeit.
An der US-Heimatfront werden die kritischen Stimmen mittlerweile zum Glück etwas lauter - oder vielmehr: man lässt sie wenigstens jetzt zu Wort kommen. Doch gab es in den letzten beiden Wochen eine ganze Reihe von Pressemeldungen, die mir die Haare zu Berge stehen lassen. Hier mal eine kleine Auswahl:
US-Abgeordneter fordert US-Mobilfunknetz für Nachkriegs-Irak. Man kann ja hinterher nicht die Neuausstattung der europäischen Konkurrenz überlassen. Ganz übersehen hat er dabei wohl nur, dass der Irak bereits ein europäisches GSM-Netz hat - oder hatte, je nachdem, ob davon nach dem Krieg noch etwas übrig ist. Aber man hat ja gerade keine anderen Sorgen als die Mobilfunkversorgung des Iraks zu planen...
Weiter geht's mit einer noch obskureren Meldung: US-Zwist um deutsche Farbe . Das Pentagon sowie auch das Capitol und das Weiße Haus in Washington werden seit Jahren mit deutscher Spezialfarbe gestrichen. Jetzt kommen einige republikanische Abgeordneten darauf, dass das ja nicht sein kann, dass man auch noch die Wirtschaft eines "unwilligen Landes" in "Old Europe" fördert. Balla balla!
Aus Angst davor, dass Susan Sarandon ein Peace Zeichen macht oder womöglich sogar kritische Worte verliert, wurde eine Benefiz-Gala mit ihr abgesagt. Ist in dem Land, dass sich in der Bill of Rights die vielzitierte "Freedom of Speech" ganz groß auf die Fahnen geschrieben hat, plötzlich verboten, seine Meinung zu sagen? Dann Hut ab vor Michael Moore, der bei der Oscar Verleihung wenigstens seine ehrliche Meinung gesagt hat. Auch wenn ihm das Wort dann zum Ende hin abgeschnitten wurde.
Die Website von Al Jazeera (oder auch Al Dschasira) war in den vergangenen Wochen Opfer zahlloser Hackerangriffe. Jedenfalls war sie einige Zeit immer wieder kaum oder auch gar nicht erreichbar. Eine Weile prangten pseudo-patriotische, amerikanische Hetzkampagnen auf der Startseite. Dann hatten sich Unbekannte an den DNS-Einträgen der Server zu schaffen gemacht. Alles keine sehr feinen Sachen. Vor allem passierte das genau am Tag, nachdem Al Jazeera Bilder von amerikanischen Soldaten in irakischer Gefangenschaft gezeigt hatte, was die USA ihren eigenen Fernsehstationen energisch verboten hatten. Komischer Zufall.
So gibt es noch einige Beispiele dieser Art, von den "Freedom Fries" hab ich ja auch schon geschrieben. Das halte ich übrigens für ein großes Kompliment an Frankreich, wenn man French=Freedom gleichsetzt. Hut ab, so ein Kompliment hätte ich den Amerikanern ja gar nicht mehr zugetraut.
Übrigens schaden sich die Amerikaner mit ihren Boykottaufrufen gegenüber (zumeist) französischen Produkten oft selbst am meisten. Bestes Beispiel: French's Mustard. Wegen dem "French" im Namen hat sogar der Fernsehsender Fox zum Boykott aufgerufen. Dabei wurde nur eines nicht bedacht: Das French kommt nicht von Frankreich, sondern vom Firmengründer Robert T. French! Blinder Aktionismus ohne einen Funken Überlegung...
In diesem Sinne: nach wir vor bin ich "Proud to be an Old European". Und ich bin gegen diesen Krieg. Schon immer gewesen.